Über das Ende einer Freundschaft und warum ich mir Klarheit wünsche

von Ramona
4 Kommentare

Ich habe eine Tasse Tee in der Hand und mache mir über Freundschaften Gedanken.
Genauer gesagt über die Vergänglichkeit von Freundschaften.
Über das Ende einer Freundschaft.

Gedanken über das Ende einer Freundschaft-Kielfeder

Schon als Kind fiel es mir schwer, Freund*innen zu finden.
Und irgendwie bin ich in diesem Stadium steckengeblieben.
Ich weiß nicht so richtig, wie man neue Freundschaften schließt und wie man dann mit ihnen umgeht. Ab wann bin ich zu aufdringlich? Wann könnte ich mehr tun? Wann ist es einfach richtig.
Ich glaube, mir fehlt irgendwie das Gefühl dafür.
Diese ständige Unsicherheit belastet mich beim Finden neuer Kontakte sehr. Denn ich möchte nichts falsch machen. Ich wünsche mir sehnsüchtig Freundschaften in meinem Leben.

Ich bin teilweise wehmütig, wenn ich auf andere Menschen und ihre Geflechte schaue. Verbindungen, die schon seit Jahren, teilweise seit den Kindertagen bestehen. Wo man sich gegenseitig besser kennt, als man manchmal sich selbst.
Das sind Bindungen, die ich nicht im Ansatz nachvollziehen kann. Weil ich selbst das in meinem Leben noch nie hatte.

In der Schule wurde mir teilweise sogar auf den Kopf zu gesagt, dass man nicht noch mehr Freund*innen bräuchte. Und dann war die Sache geklärt.
Generell war es für mich schwierig, weil ich andere Interessen hatte. Weil mein Klamottengeschmack nicht dem der anderen Kinder entsprach.

Ich bin misstrauisch. Ich habe Angst.

Aber ich war ja eigentlich bei der Vergänglichkeit.
Wenn es mir in heutiger Zeit doch mal gelingt, eine Verbindung aufzubauen, dann bin ich unglaublich misstrauisch.
Wie lange wird das halten? Wann wird der*diejenige mich fallen lassen?
Wann ist das Ende einer Freundschaft gekommen?

Ihr wisst ja, dass ich aus einer recht langen und schwierigen depressiven Episode raus bin.
Während dieser Zeit war ich auch in einer Klinik bei mir in der Nähe.
In diesen Wochen, die ich dort verbracht habe, lernte ich Menschen kennen. In einer Klinik lernt man sich grundsätzlich ganz anders kennen. Komplett unverhüllt und mit nackten, gepeinigten Seelen begegnet man sich dort. Dadurch besteht schon ganz am Anfang eine ganz andere Basis am gegenseitigen Kennen, als das sonst im Leben der Fall ist.

Wie gesagt, auch ich lernte in dieser Zeit dort Menschen kennen, die mir sehr schnell sehr nahe waren.
Diese Menschen waren ein Teil meines Weges, auf dem ich mehrfach stolperte und teilweise auch ganz fiel. Sie reichten mir ihre Hände, trockneten meine Tränen und versorgten meine Wunden. Und das alles taten sie, ohne über mich zu urteilen. So, wie ich es auch für sie tat. Ich denke manchmal, ohne diese Menschen hätte ich manche Momente nicht überstanden.
Nicht, dass ihr denkt, wir hätten nur unsere Probleme gewälzt. Um Gottes Willen!
Wir haben gemeinsam gegrillt. So viele Sommertage haben wir mit Eis, Kuchen und Sonnenbrille im Garten gesessen und gelacht. Wir haben uns in einem Mini-Planschbecken abgekühlt. Wir sind auf dem Kiez unterwegs gewesen.
Wir haben uns gegenseitig aus unseren dunklen Höhlen herausgelockt.

Nähe ist Segen und Fluch zugleich

Auf der anderen Seite ist diese Nähe aber auch Segen und Fluch zugleich.
Denn wenn diese Verbindungen abreißen, dann ist das grausam. Ein Schmerz, als würde plötzlich ein Körperteil fehlen. Da ist ein Riss im Herzen, der nicht einfach so geflickt werden kann.

Nach und nach rissen die Verbindungen ab. Der eine fand wieder in seinen Job zurück. Eine andere kappte auf einmal sämtliche Verbindungen und war nicht mehr erreichbar. Bis heute weiß ich keinen Grund dafür.
Und der, zu dem meine intensivste Verbindung bestand, der ghostete mich plötzlich. Vom einen Tag auf den anderen war der Kontakt weg. Er las zwar meine Nachrichten noch, aber es kam keine Antwort mehr.
Wenn ein Mensch quasi wirklich alles über dich weiß. Wenn ihr die absolut härtesten Dinge gemeinsam durchgestanden habt. Wenn ihr gemeinsam durch die größten Ängste gegangen seid. Dann ist so ein Kontaktabbruch hart.
Ich wünsche mir sehr, dass es diesen drei Menschen gut geht. Und dass sie ihre Wege finden.
Dass sie mehr Sonnenschein als Regen im Leben haben.

Aber der schale Beigeschmack bleibt.
Denn ich kann nicht verstehen, warum man sich so sang- und klanglos davonstiehlt.
Gerade dann, wenn man so viel miteinander erlebt hat.

Das Ende einer Freundschaft ist unterschiedlich

Ich weiß, dass Freundschaften vergänglich sind. Manchmal trifft man Menschen, die nur für einen gewissen Teil des eigenen Weges eine Begleitung sind. Und dann ist das Ende einer Freundschaft einfach gekommen.
Es gibt diese Freund*innen, mit denen kann man regelmäßig frühstücken und Kuchen essen und dabei quatscht man über Gott und die Welt. Aber es wird selten wirklich persönlich.
Es gibt diese Freund*innen, mit denen hat man genau ein Thema. Darüber tauscht man sich regelmäßig aus. Aber es geht selten darüber hinaus.
Früher hätte ich noch gesagt, es gibt diese losen Freundschaften, mit denen man Spaß hat, aber mehr eben auch nicht.

Natürlich tut es weh und macht nachdenklich, wenn eine Freundschaft endet.
Dies sind nicht meine ersten Freundschaften, die sich ausschleichen, oder enden, oder in die Brüche gehen.
Das ist mir schon einige Male passiert.
Manchmal passt man einfach nicht mehr zusammen. Beide Leben haben sich in unterschiedliche Richtungen entwickelt und es sind verschiedene Prioritäten entstanden. Das ist manchmal so. Auch wenn es mir um einige Menschen noch immer sehr, sehr leid tut.

Aber ich finde, gerade solch intensive Verbindungen sollten nicht einfach abgebrochen werden. Also komplett ohne Grund.
Mir wären ehrliche Worte da viel lieber.
Ich möchte ja niemanden zwingen, mit mir in Kontakt zu bleiben. Aber man kann mir sagen, wenn es mit mir einfach nicht passt. Eine Freundschaft ist eine Beziehung. Und um fair zu sein, sollte man eben dann auch offen über deren Ende sprechen.
Natürlich, meine Bekanntschaften vom Feiern würde ich über „ich hab keine Lust mehr“ auch nicht informieren. Das schleicht sich dann so aus. Aber darum geht es mir gar nicht.
Oder wenn ich merke, jemand findet nur noch Ausflüchte, wenn es darum geht, dass man sich trifft. Da kann ich mir dann auch denken, dass der*die andere nicht mehr will.

Hallo Arsch in der Hose!

Aber wenn eine stark verbundene Freundschaft endet, dann sollte man den Arsch in der Hose haben, sich auch dabei noch in die Augen zu schauen. Das würde ich mir sehr wünschen! Denn lieber weiß ich, woran ich bin, als monatelang im Unklaren zu sein und mir Gedanken zu machen, ob das nun das Ende einer Freundschaft ist.
Also klar, mittlerweile habe ich auch verstanden, dass mir besonders ein Jemand nicht mehr antworten wird. Aber es ist deshalb nicht weniger verletzend.

Aus dieser Zeit in der Klinik ist mir tatsächlich noch eine Freundin geblieben. Also ein Mensch, den ich tatsächlich auch so bezeichne.
Weil man sich sehr umfassend kennt. Die guten und die nicht so guten Seiten. Weil man mehr oder weniger regelmäßig in Kontakt steht. Und weil man sich gegenseitig den Rücken stärkt.

Freundschaften enden. Nicht jede Freundschaft ist für immer. Wir alle verändern uns und nicht immer tragen das die Menschen, mit denen wir in Verbindung stehen, so mit. Manche Freundschaft läuft irgendwie aus, weil sie nicht sehr eng ist. Bei manchen Freundschaften fühlt es sich an, als würde ein Teil der eigenen Person mit fortgehen.
In manchen Fällen ist es ok, wenn sich eine Freundschaft einfach auseinanderlebt. Und in manchen Fällen zerbricht man sich über das Ende einer solchen Beziehung noch lange den Kopf.

Freundschaften enden: Seid ehrlich!

Mein Appell ist echt: Seid euch bewusster, wie die Beziehung zu einer anderen Person ist. Wenn ich merke, da hat jemand Redebedarf, dann seid ehrlich. Wendet euch der anderen Person entweder zu, oder sagt deutlich, dass ihr da keine Zukunft seht.
Wenn sich das Ende einer Freundschaft ankündigt, dann ist das eine Beziehung, die endet. Eine Beziehung, die möglicherweise von mindestens einer Person gedanklich abgeschlossen werden muss.

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4 Kommentare

Susanne 30. Oktober 2020 - 13:35

Liebe Ramona,
ein sehr schöner und wahrer Text!
Ich habe lange gebraucht, um wirklich zu verstehen, dass manche Freundschaften einfach nicht auf Jahre ausgelegt sind oder das man sich auseinander leben kann. Diesen Wandel und die verschiedenen Arten von Freundschaften, die du im Text beschreibst, habe ich in ähnlicher Form alle schon erlebt…aber nicht immer hab ich es erkannt.

Bis heute knabbere ich teilweise an alten Freundschaften, die abrupt beendet wurden. Weil ich nicht verstehe, was passiert ist und weil niemand mit mir darüber geredet hat. Plötzlich gab es keine Antworten mehr. Inzwischen bin ich auch immer vorsichtiger, was neue Freundschaften angeht. ich wurde einfach zu oft verletzt im Leben.

Liebe Grüße und ein schönes Wochenede!
Susanne

Antwort
Ramona 11. November 2020 - 11:37

Liebe Susanne,

es ist so schade, dass mit den Verletzungen die Vorsicht zunimmt.
Schöner wäre es, wenn manche unserer Mitmenschen einfach etwas achtsamer mit ihrer Umwelt umgehen würden…

Fühl dich gedrückt, wenn du magst und danke dir, für deine ausführliche Antwort!
Liebe Grüße
Ramona

Antwort
Yvonne Merschmann 30. Oktober 2020 - 18:54

Liebe Ramona,
danke für diesen persönlichen und tollen Beitrag! Ich kann mich da absolut wieder finden! Also nicht die Erfahrungen in der Klinik, das kann ich verstehen, aber nicht nachempfinden, weil ich es selbst nicht erlebt habe. Aber ich konnte mich trotzdem so in deinem Text wiederfinden, weil ich mich für eine Buchreihe seit vielen Jahren mit dem Thema Freundschaft beschäftige, auch mit den verschiedenen Arten von Freundschaft, die du genannt hast. Da stimme ich absolut zu. Meine beste Freundin hat mich im Abschlussjahr nach 10 Jahren Freundschaft geghostet und jetzt, sieben Jahre später, knabbere ich manchmal immer noch daran und denke an sie und das was war oder frage mich, warum sie mich plötzlich von einen Tag auf den anderen wie Luft behandelt und damit so unglaublich verletzt hat. Das macht es schwierig, Menschen zu vertrauen und ich wünsche mir auch mehr Freundschaften im Leben. Ich hoffe für dich, dass du mit der einen Freundin aus der Klinik noch lange guten Kontakt haben wirst.
Alles Gute
Yvonne 🙂

Antwort
Ramona 11. November 2020 - 11:39

Liebe Yvonne,

erst mal danke an dich, für deine ausführliche Antwort!
Das Ghosten ist wirklich die schlimmste Form des „Schluss-machens“. Anstatt einfach einen richtigen Schlussstrich zu ziehen, wählt man diese Variante… Ich verstehe das so gar nicht.

Fühl dich gedrückt, wenn du magst!
Alles Gute auch für dich und liebe Grüße
Ramona

Antwort

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